lost and found

[Berlin. Samstagmorgen, 9 Uhr. Großes Mädchen:] „Mama, können das kleine Mädchen und ich gehen und ein Kratzeis kaufen?“

[Mutter:] „Ein Kratzeis? Um diese Uhrzeit? Und wo wollt Ihr das denn kaufen, bei der Schule?“

[GM:] „Ja, genau, bei der Schule.“

[Mutter:] „Hmm. Da ist doch der Bäcker. Und wir haben kein Brot mehr. Wenn Ihr zum Bäcker geht und Brot und Brötchen kauft, dürft Ihr danach Euch ein Kratzeis kaufen.“

[GM, KM:] „Jaaa!“

[Mutter:] „Geld ist im Portemonnaie. Nehmt einen Beutel mit. Und einen Schlüssel. Und passt gut auf!“

[KM:] „Ich will mit dem Fahrrad fahren! Das ist sonst viel zu weit für mich.“

[Mutter:] „Ne, das möchte ich nicht. Geht bitte zu Fuß.“

[KM:] „Neiiiin!“

[Mutter:] „Willst Du den Buggy mitnehmen?“

[KM:] „Na gut.“

[Beide ziehen ab. Eine knappe Stunde später klingelt es an der Tür. Da steht das große Mädchen. Mit Brötchen, Brot und Kratzeis – und ohne das kleine Mädchen.]

[Vater:] „Wo ist denn das kleine Mädchen?“

[GM:] „Die wollte woanders langgehen. Den A-Weg.“

[Vater:] „Wie, die wollte woanders langgehen? Und dann bist Du alleine weitergegangen?“

[GM:] „Ja. Den B-Weg.“

[Vater:] „Scheiße.“ [Schwingt sich aufs Fahrrad und fährt Richtung A-Weg.]

[Mutter kommt mit dem kleinem Jungen:] „GM, was ist passiert?“

[GM:] „Das kleine Mädchen wollte woanders langgehen. Da bin ich alleine weitergegangen.“

[Mutter:] „GM, das geht doch nicht! Du kannst doch das kleine Mädchen da nicht einfach alleine lassen. Und der A-Weg wäre auch besser gewesen.“

[GM in Tränen:] „Das wusste ich doch nicht! Wenn das kleine Mädchen wiederkommt, kann sie mein Kratzeis haben.“

[Mutter lässt GM und KJ beim zufällig anwesenden Besuch zurück und fährt auch mit dem Rad los. Begegnet Vater – kein kleines Mädchen. Fährt mehrere Runden um den Block. Kein kleines Mädchen. Fährt auf den Spielplatz. Vater da, aber kein kleines Mädchen. Vater und Mutter fahren in verschiedene Richtungen weiter. Rufen. Kein kleines Mädchen.]

[Mutter zu Passanten:] „Entschuldigung, haben Sie ein kleines Mädchen mit einem Buggy gesehen?“

[Passant:] „Nein, leider nicht.“

[Mutter fährt weiter die Straße entlang und überlegt, ob sie gleich die Polizei anrufen soll oder erst den Vater. Hat kein Telefon dabei. Guckt in die Seitenstraßen. Kein kleines Mädchen. Vater ist nicht zu sehen. Der hatte auch kein Telefon dabei.]

[Als die Mutter fast neben dem Haus am sogenannten „Geheimweg“ vorbeifährt, steht da das kleine Mädchen samt Buggy. Mutter fällt fast vom Rad.]

[Mutter:] „KM, da bist Du ja!!! Wir wussten nicht, wo Du bist und haben uns ganz dolle Sorgen gemacht!“

[KM:] „Ich war doch hier. Ich wollte erst den A-Weg langgehen, aber dann bin ich doch den B-Weg gegangen. Und dann da habe ich das große Mädchen nicht mehr gesehen. Du, Mama?“

[Mutter:] „Ja?“

[KM:] „Da war ein Junge, der wollte mich begleiten. Aber dann hat die Mutter gesagt, ‚Junge, kommt jetzt.‘ Kann der morgen mit mir spielen?“

[Mutter:] „Das gucken wir mal. Erstmal freuen wir uns, dass wir Dich wieder haben!“

[KM:] „Ich war doch gar nicht weg! Ich wusste doch, wo ich bin.“

[Mutter:] „Ja, aber wir wussten ja nicht, wo Du bist. Und da haben wir einen Schreck gekriegt. Du musst immer beim großen Mädchen bleiben. Wenn Ihr zu zweit losgeht, müsst Ihr auch zu zweit wiederkommen.“

[Vater kommt mit Telefon in den Geheimweg:] „Da seid Ihr. Ich hab Euch schon gesucht.“

[GM:] „Du bist ja wieder da, KM.“

[KM:] „Ja. Und ich hab einen Jungen getroffen, der wollte mich begleiten.“

[Das große Mädchen isst das Kratzeis doch selber. Das kleine Mädchen wollte lieber Süßigkeiten.]

[Eltern:] „Wenn Ihr nochmal losgeht, was macht Ihr dann?“

[KM, GM:] „Zusammenbleiben!“


 

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