lebenswelten I

am

[Hamburg. Der große Junge war eine Weile still mit Papier und Stiften beschäftigt.]

[GJ:] „Mami, können wir Kita spielen?“

[Mutter:] „Na gut. Was soll ich machen?“

[GJ:] „Als erstes musst Du Deine Sachen in Dein Fach tun. Hier habe ich Fächer gemacht. Du bist im Spiel Emil.“

[Mutter:] „Okay.“

[GJ:] „Und dann gibt es Frühstück. Aber vorher müssen wir beten. Und dafür brauchen wir einen blauen Stein und ganz viele andere Steine. Warte mal – ich nehme einfach Ostereier, das geht auch.“

[Mutter:] „Hä?“

[GJ:] „Jedes Kind zieht einen Stein aus dem Beutel. Und wer den blauen Stein zieht, darf mit dem Gebetswürfel würfeln. Und dann noch ein anderes Kind aussuchen oder zwei, und die sprechen dann das Gebet. Ich ziehe jetzt im Spiel den blauen Stein.“

[GJ zieht das blaue Ei aus dem Täschchen, wirft einen imaginären Würfel, sucht eine Puppe als zweites Kind aus und betet ‚Alle guten Gaben…‘.]

[Mutter:] „Wieso steht da eigentlich Spielzeug unterm Sofa?“

[GJ:] „Das ist für den Morgenkreis. Heute ist im Spiel Spielzeugtag. Da legt jedes Kind sein Spielzeug immer erst unter den Stuhl. Du bist jetzt die Erzieherin. Du musst immer sagen, wer dran ist. Und dann zeigen wir das Spielzeug. Und dann musst Du fragen, von wem das Kind das geschenkt bekommen hat. Und dann muss man das sagen.“

[Mutter:] „Okay. GJ, Du bist dran.“

[GJ:] „Das ist ein Lego-Auto. Das habe ich im Zug geschenkt bekommen, von meiner Mama. Das kann man umbauen und noch zwei andere Sachen daraus bauen.“

[Mutter:] „So, jetzt muss ich im Spiel im Büro arbeiten, und zu Euch kommt eine andere Erzieherin.“

[GJ:] „Okay. Dann basteln wir jetzt was!“


[Berlin. Großes Mädchen:] „Mama, welche Türen kann ich nehmen?“

[Mutter:] „??“

[GM:] „Na, ich spiele Kita, und dafür brauche ich ganz viele Türen, an die ich Schilder machen kann, für die Gruppenräume und für den Personalraum und für die Toiletten und so.“

[Mutter:] „Hm, meinetwegen kannst Du alle Türen nehmen, die nicht Esszimmer, Wohnzimmer oder Küche sind.“

[GM:] „Aber unten sind zu wenige Türen! Ich habe doch ganz viele Gruppen!“

[Mutter:] „Das Spielzimmer ist ja ziemlich groß …“

[GM:] „Oh ja, dann kommen da einfach zwei Gruppen rein. Und in mein Zimmer auch. Und ins Schlafzimmer.“

[GM verschwindet für längere Zeit.]

[GM kommt wieder:] „Mama, ich bin jetzt fertig. Bei der Garderobe war ja keine Tür. Da hab ich dann jetzt einfach einen Pfeil gemacht.“

[GM zu Kleinem Mädchen:] „Du bist jetzt im Spiel ein Kita-Kind, ja? Wie willst Du heißen?“

[KM:] „Rafi.“

[GM:] „Aber Rafi ist doch ein Jungsname!“

[KM:] „Trotzdem.“

[GM:] „Ich weiß was. Du heißt in echt Rafaela, aber ich nenn Dich Rafi.“

[KM:] „Na gut.“

[KM spielt in der Spiel-Kita mit Buntstiften und sortiert sie der Größe nach:] „Du bist jetzt die Mama. Und Du bist der Papa. Und Du bist Jesus. Jesus, Du bist jetzt gekreuzt!“


[Hamburg. Der große Junge und das große Mädchen sitzen lange versunken am Tisch und zeichnen und malen.]

[GM:] „Wir machen einen Edeka! Da brauchen wir ein Schild für den Laden, und dann brauchen wir ganz viele Schilder für die Dinge, die man da kaufen kann.“

[GJ:] „Mach‘ Du mal das Schild für den Laden. Ich mache auch noch eine Kasse.“

[GM:] „Und wenn wir fertig sind, dann fragen wir unsere Mütter, ob wir echtes Essen in unserem Edeka verkaufen dürfen.“

[GJ:] „Oh ja, ich gucke gleich mal, was wir in der Küche alles haben.“

[GJ läuft in die Küche und kommt zurück.]

[GJ:] „Also Oliven, Äpfel und Milch. Und Quittenbrot.“

[GM:] „Auch Erdbeeren? Ich habe nämlich schon Erdbeeren geschrieben.“

[GJ:] „Nein. Das macht aber nichts. Im Spiel sind die dann einfach schon alle.“

[Beide malen, schreiben und schneiden aus. Das kleine Mädchen setzt sich dazu und malt, schreibt und schneidet ebenfalls aus.]

[Ohrenbetäubendes Geschrei.]

[GJ, GM:] „Maaamaaa!!! Maaaamaaaa!!!“

[Beide Mütter stürzen zum Tisch.]

[Mutter:] „Was ist denn passiert? Hat sich jemand wehgetan?“

[GJ, GM, gleichzeitig und durcheinander:] „KM hat die Schilder für unseren Edeka zerschnippelt! Die lagen alle hier und waren schon fertig, und jetzt hat sie die alle kaputtgeschnitten! Dabei waren wir schon fast fertig!“

[Mutter:] „Oh.“

[GJ, GM, gleichzeitig und durcheinander:] „Jetzt müssen wir alles nochmal schreiben. Manno.“

[Die Mütter verlassen mit dem kleinen Jungen das Haus, um andere Erledigungen zu machen. Am Abend.]

[Mutter:] „Und? Hat der Vater vom GM bei Euch tüchtig eingekauft?“

[GJ:] „Nein. Der hatte keine Zeit zum Einkaufen. Der musste was am Computer arbeiten.“


 

 

 

 

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s